SV 650 ABS 2017 als A2-Bike: Fazit nach einem Jahr

Suzuki SV 650 Header

Suzukis SV 650 blickt auf eine lange Tradition zurück. Das aktuelle Modell arbeitet seit 2015 mit einem 90-Grad V2-Motor  kommt mit überarbeiteter Elektronik und frischem Design. Wir sind das Modell nun für eineinhalb Jahre mit A2-Drossel auf 35 Kilowatt gefahren und teilen unsere Erfahrungen.

Emotionaler V2

Insgesamt ist die neue SV 650 ABS als wendiges Spaßmotorrad zu verstehen. Der V2 mit Doppelzündung baut ein konstantes Drehmoment auf, auch mit Drossel. Gefühlt knickt die Leistungskurve bei zwischen 6.500 und 8.000 Umdrehungen pro Minute kurz ein, danach blüht die Maschine wieder auf. Wer eher im Touren-Modus ist, schaltet spätestens in diesem Loch hoch, bei sportlicher Fahrweise auf der Hausstrecke bleibt der Gashahn einfach geöffnet. Der Verursacher des Einbruchs dürfte die Euro4-Norm sein, denn die älteren SV650 und Gladius-Modelle hatten dieses Problem nicht, arbeiten aber mit einem sehr ähnlichen Motor. Wer glaubt, das nicht perfekt lineare Drehmoment sei ein großes Manko, der liegt falsch. Es macht riesigen Spaß, die Maschine auszuquetschen, bis sie endlich wieder frei atmet. Der Kick im letzten Drittel des Drehzahlbandes macht den kleinen Aussetzer wieder wett und die schlanke SV 650 marschiert mit Volldampf voraus. Die Vorgängermodelle kämpften ausnahmslos mit ruppigem Rollbetrieb im unteren Drehzahlbereich. Das neue Modell ist ruhiger, behält aber den wilden V2-Charakter. Selbst wenn der Motor im sechsten Gang bei unter 2.000 Umdrehungen gequält wird, rollt die kleine SV ohne sich zu wehren dahin. Dank Euro4 fällt auch der Auspuff gar monströs aus. Zwar reicht er nicht an die Ausmaße des Endtopfes der GSX-R 1000 heran, ansehnlich ist der Serienschalldämpfer trotzdem nicht – und Klang lässt er leider auch nur mäßig durchdringen. Mit Zubehör-Lösungen lässt sich das kraftvolle V2-Bollern deutlich besser zur Geltung bringen und der Fahrspaß steigt enorm.

 

Suzuki SV 650 Seite
Rundscheinwerfer, Gitterrohrrahmen und Telegabel – ist die SV der heutigen Zeit gewachsen?

 

Leichte Gangwechsel

Wenn ein Teil an der aktuellen SV 650 wunderbar funktioniert, dann ist es das Getriebe. Butterweiche Schaltvorgänge und eine gut ausgewogene Übersetzung zeigen, dass die traditionelle Maschine trotzdem mit guter Technik ausgestattet sein kann. Mit etwas Übung muss die Kupplung zum Schalten nicht mehr verwendet werden. Das Hochschalten gelingt ganz einfach, wenn der Gashahn kurz geschlossen wird. Zum Runterschalten braucht es zwar genaues Timing, das händische Zwischengas funktioniert nach einigen Versuchen aber auch wunderbar.

 

Bequemes Einsteigermotorrad

Völlig unabhängig von der begrenzten Motorleistung ist die Sitzposition. Der Sattel des V2-Bikes sitzt mit nur 785 Millimetern ausgesprochen tief und das Motorrad fällt sehr schmal aus – deshalb schimpft sich das Modell völlig zu Unrecht als Einsteiger- und Frauenmotorrad. Der Hersteller positioniert die Fußrasten vergleichsweise tief und lässt auch größere Fahrer noch entspannt aufsitzen. Einziges Manko: Der schmale Lenker ist leider etwas unhandlich. Hier haben wir nachgeholfen und einen breiteren Lenker von ABM nachgerüstet.

 

Suzuki SV 650 Sitzposition
Die niedrige Sitzbank und der hohe Lenker erlauben eine aufrechte Sitzhaltung

 

Sanfte Dämpfer für ambitionierte Sportfahrer

Für Tourenfahrer mit sportlichen Ambitionen eignet sich die kleine Suzuki äußerst gut. Sie kippt freudig in die Kurven und erfordert kaum Kraft und den Radius in der Kurve noch enger zu ziehen. Einsteiger, die noch keine Erfahrung auf motorisierten Zweirädern haben, werden diese Eigenschaft in den ersten Wochen sehr schätzen. Nach einiger Zeit steigt das Vertrauen in die eigenen Fahrkünste und mündet schnell in Überschätzung. Vorsicht: Wir erinnern uns an die tiefliegenden Fußrasten mit langen Auslegern. Wenn diese zu hart aufsetzen, hebelt es das Hinterrad schnell aus und unerfahrene Piloten steigen unsanft ab – Wir sprechen aus Erfahrung!

 

 

Wer von einem Superbike träumt, wird mit der SV 650 ABS vermutlich nicht lange glücklich sein. Mit der Drossel für den A2-Schein hält sie zwar bei anderen 48-PS-Bikes mit, in schnelleren Kurven macht ihr das Fahrwerk einen Strich durch die Rechnung. Die Telegabel ist sehr weich gibt kaum Rückmeldung vom Vorderreifen. Leider gibt es außer der Federvorspannung keinerlei Einstellmöglichkeiten, um das Fahrverhalten an die eigenen Vorlieben anzupassen. Das Federbein für das Hinterrad macht einen besseren Job, ist aber ebenfalls sehr weich. Bei zügigerer Fahrweise dämpft die SV 650 Unebenheiten sehr komfortabel. Wenn es in langen Kurven wirklich schnell zugeht, pumpt das Heck jedoch etwas auf und ab.

 

Suzuki SV 650 Schräglage 2      Suzuki SV 650 Schräglage 1

 

Wir haben das Motorrad auch auf der Rennstrecke in Oschersleben bewegt. Dort zeigt sich, dass das originale Fahrwerk nicht für einen solchen Einsatz entwickelt worden ist. Beim schnellen umlegen in der Schikane wird das Motorrad leicht und braucht einige Meter um wieder auf den richtigen Kurs zu finden. Das Pumpen des Hinderrades kommt auf der abgesperrten Strecke nochmal deutlich stärker zur Geltung, Rutscher sind nicht aufgefallen – dafür fehlt einfach die Leistung mit eingebauter Drossel.

 

 

Ausbaufähige Bremse

Suzuki verpasst der aktuellen SV 650 vorne zwei 280mm-Scheibenbremsen. Hinten sitzt eine einzelne 240-mm-Bremsscheibe. Die Vorderradbremse benötigt im Vergleich zu ähnlichen Bikes anderer Hersteller etwas mehr Kraft in der rechten Hand, die Fußbremse lässt sich gut dosieren. Gerade für Einsteiger neigen in Schocksituationen zu Panikbremsungen und langen fest zu – da macht sich der höhere Widerstand bezahlt. Die härtere Vorderradbremse ist außerdem ein Charaktermerkmal einiger Suzuki-Bikes. Die reine Bremswirkung könnte besser sein, reicht aber für den Alltag voll und ganz aus. Wer einen sehr sportlichen Fahrstil mit späten Bremspunkten anpeilt und regelmäßig auf der Rennstrecke fahren möchte, denkt schnell über Upgrades wie bissigere Beläge und Stahlflexleitungen nach.

 

Suzuki SV 650 Bremse
Zwei 280mm-Scheibenbremsen am Vorderrad sind für den Alltag vollkommen ausreichend

 

Die SV 650 ABS bringt, wie der Name verspricht, ein Antiblockiersystem mit, das das Stillstehen des Reifens bei starken Bremsvorgängen verhindert. Vor allem das ABS des Vorderreifens regelt sehr früh. Auf nasser Fahrbahn löst es recht häufig aus, obwohl der Reifen noch gut arbeitet. Ähnlich wie das Fahrwerk: Perfekt für den Einstieg, langweilig für erfahrene Piloten mit sportlichen Genen.

 

Bordcomputer ohne Bling-Bling

Auch wenn wir die SV 650 nur ungern als Einsteiger-Motorrad abstempeln möchten, macht Suzuki es uns nicht einfach. Ein sogenannter „Low RPM Assist“ hebt die Drehzahl beim Einkuppeln und macht Abwürgen fast unmöglich. Ein reines Anfänger-Gadget? Nein! Auch erfahrene Biker profitieren vom elektronischen Helferlein: Im Stadtverkehr kommt es häufig zu Stop & Go, was für Motorradfahrer eine Qual ist. Dadurch dass das Anfahren auch ohne zusätzliches Gasgeben gelingt, wird der Stadtverkehr etwas angenehmer.

Beim Lesen des Prospektes könnte man vermuten, der Suzuki fehlt eine Traktionskontrolle. Aus unserer Sicht benötigt sie diese aber nicht. Auch im ungedrosselten Zustand bringt die Suzuki keine Drehmomentberge zustande, die das Motorrad unkontrollierbar machen – mit etwas Gefühl in der Gashand ist das alles kein Problem.

 

Suzuki SV 650 Display
Suzuki arbeitet mit einem einfachen, aber funktionalen Display.

 

Das volldigitale Display hätte schöner ausfallen dürfen. Zwar stellt es alle Informationen übersichtlich dar und lässt sich auch bei starker Sonneneinstrahlung gut ablesen, aber besonders schick ist es nicht. Der Drehzahlmesser schlängelt sich in einer Welle von links nach rechts oben. Die Untermenüs in den beiden unteren Ecken zeigen alle wichtigen Informationen wir Tripzähler, Kraftstoffverbrauch und Restreichweite an.  Gern hätten wir eine analoge Anzeige für die Drehzahl mit kleinem digitalen Tachometer und Ganganzeige gesehen. Der Rest wie Restkilometer, Tripzähler und Verbrauch darf gern weichen. Damit hätte Suzuki nicht nur die unübersichtliche Drehzahlanzeige eliminiert, sondern auch den Retro-Look komplettiert.

 

Fazit

In Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis macht Suzuki einen wunderbaren Job. Für nicht einmal 7.000 Euro wird ein einwandfreies Nakedbike mit laufruhigem V2-Motor angeboten. Alle anderen Motorräder dieser Preisklasse setzen auf einen langweiligeren Reihenmotor. Sicherlich zeigt sich der geringe Preis bei den mäßigen Bremsen, den langweiligen Armaturen und dem nicht-einstellbaren Fahrwerk. All diese Punkte sind für Einsteiger jedoch an zweite Stelle zu rücken. Im Vordergrund steht der sehr ruhige V2 mit viel Kraft und einem schönen Kick auf den letzten 3.500 Touren. Zuletzt ist auch die Leichtfüßigkeit ein großer Pluspunkt für das Motorrad – sowohl für Einsteiger als auch Wiedereinsteiger und erfahrene Fahrer.

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