Erfahrungsbericht: Heidenau K73 M+S Silica

Motorradfahren im Winter geht nicht? – mit warmer Kleidung und dem passenden Reifen schon! Wir haben den Heidenau K73 M+S Winterreifen ausführlich getestet.

Die Winterreifenpflicht für Motorräder wurde aufgehoben, für uns aber kein Grund, im Winter trotzdem einen Reifen mit M+S-Zeichen aufzuziehen. Wir sind nun gut 2500 Kilometer mit dem Heidenau K73 Silica gefahren. Darunter waren sowohl recht warme Tage mit über 10°C und nasse Tage bei -2°C. Bei Schneefall konnten wir bislang noch keine Erfahrungen machen.

 

Weiche Mischung

Heidenau arbeitet beim K73 Silica mit einer sehr weichen Mischung. Das Gummi lässt sich mit einem Finger sogar einige Millimeter eindrücken. Wer dies bei härteren Sport- oder Touringreifen versucht, muss deutlich mehr Druck aufbringen. Das zeigt: der Winterreifen von Heidenau ist wirklich weich!

Der Name des K73 Silica deutet bereits auf seine wichtigste Zutat hin: Silica. Silica wird seit sehr langer Zeit in der Reifenindustrie als Füllstoff verwendet, welcher im Vergleich zu Ruß eine deutlich bessere Nasshaftung und mehr Flexibilität erreicht. Die meisten Motorradreifen arbeiten mit wenig Silica, da sie für Außentemperaturen ab etwa 15°C ausgelegt sind. Sobald der Reifen einmal aufgewärmt ist, bringt das Silica keinerlei Vorteile mehr. Außer der kürzeren Aufwärmphase profitieren andere Motorradreifen also nicht davon. Der Heidenau K73 Silica befindet sich aber quasi immer in seiner Aufwärmphase, weil er bei geringen Außentemperaturen bewegt wird. Hier spielt die Silicamischung ihren Trumpf aus.

 

 

Neutrales Fahrverhalten

Im Winter sollte man sich als Motorradfahrer ohnehin etwas zurückhalten was, Schräglage oder Kurvengeschwindigkeit angeht. Deshalb stört uns die sehr runde Reifenkontur des K73 Silica nicht wirklich. Wenn wir uns an die Tests des Heidenau K80 oder Metzeler Sportec M7RR erinnern, nutzen solche Reifen spitze Aufbauten, um am Kurveneingang flinker zu sein. Die ersten Kurven mit dem neuen Reifen waren etwas gewöhnungsbedürftig, weil ihm die Leichtfüßigkeit eines Sportreifens fehlt, nach rund 30 Kilometern, fühlte sich der Reifen aber sehr sicher an.

Auch schnellere Fahrten bei 3-5°C und Regen sind problemlos möglich. Am Kurveneingang braucht es nur etwas Gefühl für den richtigen Bremsdruck, um den Reifen zwar zu belasten aber nicht zu überfordern. Am Kurvenausgang zeigt sich dann, welche Kräfte der Reifen wirklich übertragen kann. Wir können das Gas viel früher anlegen, als wir zunächst erwartet haben. Um den Hinterreifen durchdrehen zu lassen müssen wir mit der 2017er Suzuki SV 650 ABS schon sehr ruckartig beschleunigen. Wer mit etwas Köpfchen fährt und das Gas gleichmäßig öffnet, kann wirklich viel Geschwindigkeit aufbauen. Mit der passenden Körperposition sind auch etwas tiefere Schräglagen möglich, hier spürten wir aber schnell, dass der Reifen nicht dafür gedacht ist. Das Gefühl für den Vorderreifen fehlt, das Motorrad wird ab einer gewissen Neigung einfach zu instabil.

 

 

Extrem temperaturabhängig

In unserer Testphase ist eine Eigenschaft des Winterreifens besonders aufgefallen: Er verlangt förmlich nach geringen Temperaturen. Als wir bei unter 0°C auf das Bike gestiegen sind, machte der Heidenau K73 Silica eine gute Figur. Selbstverständlich haben wir es nicht darauf angelegt, schnell von A nach B zu kommen, sondern sind eher gemächlich und bedacht gefahren, fühlten uns aber sehr sicher. Mit anderen Reifen, die eigentlich für den Sommerbetrieb gedacht sind, hatten wir im letzten Winter deutlich größere Probleme. Wenn die Außentemperatur über 8°C klettert, wird der Reifen dafür umso unsicherer. Die Unsicherheiten bei vergleichsweise hohen Temperaturen lassen sich einfach erklären: Jedes Gummigemisch wird weicher, wenn es erwärmt wird. Da der K73 von Haus aus sehr flexibel ist, wird er ab 8°C nochmal spürbar weicher. Entsprechend stark verformt sich der Reifen während der Kurvenfahrt und kann kein klares Feedback übertragen.

Wir haben einen kleinen Fehler gemacht, als wir den Reifen bereits Ende Oktober aufgezogen haben – Es war noch zu warm. Dort hätte sich der K80 noch besser geschlagen. Jetzt, bei Temperaturen rund um den Gefrierpunkt, arbeitet der K73 spürbar besser und verlängert unsere Saison um viele schöne Tage. Wenn andere Biker wehmütig nach draußen schauen und den Sommertagen nachweinen, steigen wir aufs Motorrad und haben Spaß. Sicherlich wünschen wir uns auch die schönen, warmen Sommertage zurück. Eine wirkliche Winterpause müssen wir aber nicht einlegen.

 

 

Grobes Profil

Heidenau verlieht dem Winterreifen ein sehr tiefes, recht grobes Blockprofil. Selbst bei sehr starkem Regen scheitert es also nicht an der nötigen Wasserverdrängung. Der K73 Silica wurde aber nicht allein für den Einsatz im milden Deutschland entwickelt. Nicht umsonst trägt er das „Matsch und Schnee“-Siegel. Auch bei festgefahrenem Schnee soll er sich beweisen können. Bisher hatten wir noch nicht das Vergnügen, dies ausprobieren zu können. Sobald auch bei uns ein paar Zentimeter Schnee liegen, werden wir eine kurze Schneefahrt nachholen. Wir sind sehr gespannt, wie er sich unter solchen extremen Bedingungen schlagen wird.

Die Vorteile von einem groben Profil zeigen sich nicht unbedingt auf der Straße, sondern eher auf losen Untergründen. Mit dem K73 Silica haben wir unsere ersten Erfahrungen abseits der Straße gemacht – natürlich nur auf freigegebenen Wegen. Es ist für uns als absolute Offroad-Laien wirklich erstaunlich wie er sich durch groben, nassen Kies gräbt und selbst unter solchen schwierigen Bedingungen Vortrieb generiert. Auch beim Bremsen bleibt er auf Stock und Stein stabil – nur das knapp 200 Kilogramm schwere Motorrad selbst ist dort zu unhandlich und frontlastig. Am liebsten hätten wir den Reifen auf einer flinken Supermoto aufgezogen.

 

 

 

Fazit: Keine Winterpause

Eigentlich macht der Heidenau K73 Silica alles komplett anders als andere Motorradreifen. Er liebt Temperaturen um den Gefrierpunkt und starken Regen oder lose Untergründe – selbst vor Schnee schreckt er nicht zurück. Er versucht seinen Fahrer für moderate Schräglagen zu begeistern und will gar nicht flink in die Kurve einlenken. Trotzdem macht er alles richtig! Mit diesem Reifen macht es selbst im Winter Spaß, bei Wind und Wetter auf das Motorrad zu steigen. Während alle anderen Motorradfahrer hinter den Gardinen verschwinden, sich über schlechtes Wetter beschweren und den wenigen übriggebliebenen Zweirädern hinterhersehen, überbrückt der Heidenau K73 Silica die Winterpause. Es tut so gut, einfach aufsteigen zu können und eine gemütliche Runde Motorrad zu fahren, ohne zu bangen, ob das Gummi den Kontakt wahrt. Wer schon jetzt in die Winterdepression verfällt, obwohl der Winter noch lange andauert, sollte schleunigst über einen Reifenwechsel nachdenken.

Preislich liegt der Reifen auf dem Niveau von vielen Touringreifen. Der Vorderreifen liebt bei 80 bis 90 Euro, der Hinterreifen je nach Dimensionen bei 90 bis 110 Euro. Der komplette Satz dürfte mit knapp 200 Euro gut zu bewältigen sein. Die Laufleistung können wir schlecht abschätzen, da das Abriebverhalten extrem von der Außentemperatur abhängt.

 

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